Macht und Ohnmacht von Robert Kagan

Macht und Ohnmacht
Amerika gegen Europa in der neuen Weltordnung
ISBN/EAN: 9783886807949
Sprache: Deutsch
Umfang: 128 S.
Einband: Leinen
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Europäische Politiker, die von der globalen Strategie der USA zunehmend irritiert sind, glauben, dass die USA und Europa auf einen 'Moment der Wahrheit' (New York Times) zusteuern. Nach Jahren wechselseitigen Ressentiments und zunehmender Spannung ist die Erkenntnis unausweichlich, dass die realen Interessen Amerikas und Europas längst nicht mehr identisch sind und dass die Beziehung zwischen den USA und den Staaten Europas, besonders Deutschland, sich verändert hat - vielleicht unwiderruflich. Europa sieht die Vereinigten Staaten als arrogant, kriegerisch, undiplomatisch; die Vereinigten Staaten betrachten Europa als erschöpft, unernst und schwach. Der Ärger und das Misstrauen auf beiden Seiten verhärten sich und führen zu Entfremdung und Unverständnis. Schon mit seinem Artikel in der 'Policy Review' und nun mit seinem Buch unternimmt Robert Kagan den Versuch, die Standpunkte beider Seiten zu verstehen und darzulegen. Er verfolgt die unterschiedlichen historischen Entwicklungen von Amerika und Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: Für Europa stand die Notwendigkeit, der blutigen Vergangenheit zu entkommen und der Gewalt zu entsagen, im Vordergrund, während die USA sich zunehmend als einzige Garantiemacht einer demokratischen Weltordnung sehen. Diese bemerkenswerte Analyse wird in Washington und Berlin ebenso diskutiert wie in Tokio. Kagans Buch ist politische Pflichtlektüre.
Robert Kagan ist Senior Associate beim Carnegie Endowment for International Peace und Kolumnist der "Washington Post". Als Mitglied des Council on Foreign Relations arbeitete er von 1984 bis 1998 im Außenministerium der USA. Heute lebt Robert Kagan in Brü
Wir sollten nicht länger so tun, als hätten Europäer und Amerikaner die gleiche Weltsicht oder als würden sie auch nur in der gleichen Welt leben. In der alles entscheidenden Frage der Macht - in der Frage nach der Wirksamkeit, der Ethik, der Erwünschtheit von Macht - gehen die amerikanischen und die europäischen Ansichten auseinander. Europa wendet sich ab von der Macht, oder es bewegt sich, anders gesagt, über diese hinaus. Es betritt eine in sich geschlossene Welt von Gesetzen und Regeln, transnationalen Verhandlungen und internationaler Kooperation, ein posthistorisches Paradies von Frieden und relativem Wohlstand, das der Verwirklichung von Kants "Ewigem Frieden" gleichkommt. Dagegen bleiben die Vereinigten Staaten der Geschichte verhaftet und üben Macht in einer anarchischen Hobbesschen Welt aus, in der auf internationale Regelungen und Völkerrecht kein Verlass ist und in der wahre Sicherheit sowie die Verteidigung und Förderung einer freiheitlichen Ordnung nach wie vor von Besitz und Einsatz militärischer Macht abhängen. Aus diesem Grund entwickeln sich Amerikaner und Europäer in zentralen strategischen Fragen heute immer weiter auseinander: Sie sind sich nur noch in wenigen Punkten einig und verstehen sich gegenseitig immer weniger. Und dies ist kein vorübergehender Zustand - das Ergebnis einer einzelnen amerikanischen Wahl oder eines katastrophalen Ereignisses. Die Ursachen für die transatlantischen Misshelligkeiten liegen tief und werden nicht so schnell beseitigt werden können. Soweit es um nationale Prioritäten, die Einschätzung von Bedrohungen und Herausforderungen, die Gestaltung und Durchsetzung von Außen- und Verteidigungspolitik geht, haben sich die Wege der Vereinigten Staaten und Europas getrennt. Für einen Amerikaner, der in Europa lebt, ist dieser Gegensatz leichter zu erkennen. In Europa ist man sich der wachsenden Unterschiede deutlicher bewusst, vielleicht weil man sie dort mehr fürchtet. Europäische Intellektuelle sind nahezu einmütig überzeugt davon, dass Amerika und Europa keine gemeinsame "strategische Kultur" mehr haben. Das krasseste europäische Zerrbild zeichnet ein Amerika, das von einer "Kultur des Todes" beherrscht wird und dessen bellizistisches Temperament die natürliche Folge einer durch und durch gewaltbestimmten Gesellschaft ist, in der jedermann eine Waffe trägt und die Todesstrafe herrscht. Aber selbst diejenigen, die nicht diesen schlichten Zusammenhang herstellen, sind der Ansicht, dass sich die außenpolitischen Strategien der Vereinigten Staaten und Europas grundlegend voneinander unterscheiden. Die Vereinigten Staaten, so behaupten sie, wendeten schneller militärische Gewalt an und brächten weniger Geduld für diplomatische Bemühungen auf. Die Amerikaner würden die Welt dualistisch in Gut und Böse, Freund und Feind einteilen, während die Europäer stärker differenzierten. In der Auseinandersetzung mit realen oder potenziellen Gegnern stellten die Amerikaner Zwang über Überzeugungsarbeit, Sanktionen über Anreize zu besserem Verhalten, die Peitsche über das Zuckerbrot. Die Amerikaner seien stets bestrebt, internationale Fragen ein für alle Mal zu klären: Ihnen liege daran, dass Probleme gelöst, Bedrohungen beseitigt würden. Und natürlich neigten die Amerikaner zunehmend zu internationalen Alleingängen. Sie seien weniger darauf eingestellt, durch internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen zu handeln, und weniger geneigt, mit anderen Staaten für gemeinsame Ziele zusammenzuarbeiten. Auch betrachteten sie das Völkerrecht skeptischer und seien durchaus bereit, auch außerhalb seiner engen Grenzen zu operieren, wenn sie es für erforderlich oder auch nur zweckmäßig hielten. Die Europäer dagegen beteuern, sie gingen Probleme differenzierter und abgewogener an. Sie versuchten andere behutsam und auf indirekte Weise zu beeinflussen. Sie seien geduldiger, würden auch schon mal einen Fehlschlag in Kauf nehmen. Sie würden im Allgemeinen friedliche Lösungen anstreben und Verhandlungen,