Der lachende Christus von Adolf Holl

Der lachende Christus
ISBN/EAN: 9783552053427
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S.
Einband: gebundenes Buch
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Das Bild von Jesus als Schmerzensmann schien auf ewig fixiert, als 1945 bei Ausgrabungen im oberägyptischen Nag Hammadi eine verschollen geglaubte Klosterbibliothek mit frühchristlichen Texten u.a. die aus dem 2. Jahrhundert stammende "Apokalypse des Petrus" gefunden wurde. Darin fragt der Apostel Jesus Christus, wer denn der Unbekannte sei, der da unter dem Kreuz so fröhlich lache? Und Jesus antwortet: "Der, den du neben dem Kreuz fröhlich und lachend siehst, ist der lebendige Jesus. Derjenige hingegen, in dessen Hände und Füße Nägel geschlagen werden, ist sein leiblicher Teil, sein Ersatz." Die Spuren, welche der "lachende Christus" von der arabischen Welt über das christliche Mittelalter bis in die Gegenwart auf bisweilen bizarre Weise hinterlassen hat, stehen im Zentrum dieses Buches, das zeigt, welche Folgen die Vorstellung eines ironischen Gottes nicht nur auf dem Gebiet der Theologie hätte.
Adolf Holl wurde am 13. Mai 1930 in Wien geboren und starb am 23. Jänner 2020 ebenda. Dr. theol. und Dr. phil., von 1953 bis 1973 Kaplan und Lehrer. 1973 kirchliches Lehrverbot. 1976 als Priester suspendiert. Bei Zsolnay erschienen Brief an die gottlosen Frauen (2002) und Der lachende Christus (2005).
2 Es lebe der Tod Der theologische Schriftsteller, der den lachenden Erlöser ins Spiel gebracht hat, bleibt ohne Namen. Die paar Seiten, die von ihm erhalten sind, unter der Überschrift 'Die Apokalypse des Petrus', mögen um 200 n.Chr. herum zu Papier gebracht worden sein. Ihr Autor gehörte zur Jesusbewegung, die damals in den großen Städten des Mittelmeerraums bereits Fuß gefaßt hatte. Die PetrusApokalypse ist als Zwiegespräch konzipiert, zwischen dem IchErzähler unter dem Namen des Apostels Petrus und dem Herrn Jesus, welcher als 'Erlöser' auftritt. Dieser Erlöser ist mit seinen Gläubigen unzufrieden. Er sagt über sie: Sie werden sich an den Namen eines Toten hängen. Gemeint ist der Gekreuzigte. In der Tat. Das Christentum ist als Karfreitagsreligion angetreten. Den Auftakt dazu hatte der Völkerapostel Paulus gegeben. Bereits zwanzig Jahre nach dem Tod des Nazareners schrieb er an die von ihm gegründete Gemeinde in Korinth: Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu kennen als allein Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten. Dabei ist es geblieben. Die Liebe zum Tod findet sich in den Schriften Sigmund Freuds ebenso wie in den Briefen des Bischofs Ignatius, der unter Kaiser Trajan (97-117) in Rom sterben mußte. Laßt mich zum Fraß der Raubtiere werden, schrieb der Mann, denn sie werden mich mit ihren Zähnen wie ein Weizenkorn in der Mühle zermahlen, damit ich mich in Christi Brot verwandle. Leiden ist für mich das höchste Gut. Eine kleine Weile (1800 Jahre) später, nach dem allerersten Weltkrieg der Menschheitsgeschichte, setzte Freud dem Lustprinzip einen 'Todestrieb' entgegen, mit den Worten: Das Ziel alles Lebens ist der Tod. Bald danach (1936) hielt der spanische General Millán Astray in der Universität von Salamanca eine Rede, wobei einer seiner Anhänger aus dem Hintergrund des Saals das Lieblingsmotto des Generals dazwischenrief: 'Viva la muerte', es lebe der Tod. Daraufhin ergriff der Philosoph Miguel de Unamuno, damals Rektor der Universität, das Wort und erklärte: Soeben habe ich einen nekrophilen und sinnlosen Zwischenruf gehört. Es schmerzt mich, denken zu müssen, daß General Astray uns die Psychologie der Massen diktieren möchte. Dies hier ist der Tempel des Intellekts, und ich bin dessen Hohepriester. Jetzt ist dieser heilige Bezirk entweiht. Psychopathologisch wird Nekrophilie als leidenschaftliches Angezogenwerden von allem definiert, was tot, vermodert, verwest oder krank ist. Tatsächlich wünschten sich viele fromme Seelen unter die vom Lanzenstich des Soldaten geöffnete Seite des Gekreuzigten, um sich von der hervortretenden Wundbrühe überströmen zu lassen. Wasser der Seite Christi, wasche mich. Sollen katholische Jesuiten und evangelische Pietisten mit ihrer Andacht zum Lebensquell aus dem durchbohrten Herzen Jesu deshalb als pervers eingestuft werden? Eingeliefert in dieselbe Abteilung der transzendenten Besserungsanstalt, in welcher Hitler bereits einsitzt, als notorisch nekrophile Charaktermaske? Soll das Christentum, mit seinem leidenschaftlichen Angezogensein vom toten Jesus, zum Fall für die Psychiatrie erklärt werden? Ich frage Dich also, mein Erlöser: Wie konnte es dazu kommen, daß der hellsichtige Befund der Petrus-Apokalypse unter die Erde kam, während die Nekrophilie des heiligen Paulus in die christliche Bibel rutschte? Du sagst: Der lebendige Jesus kam frei. Er steht neben allen Kruzifixen dieser Erde und lacht. Schau nur gut hin! 3 Darf ich Du sagen? Die visionäre Konstellation der Petrus-Apokalypse, in welcher der lachende Erlöser erscheint, wird von einer unerwarteten Frage unterbrochen: Hältst Du mich fest? Die Frage ist an den Erlöser gerichtet. Sie läßt sich auch so übersetzen: Greifst Du nach mir? Der Erlöser, von den Häschern gepackt, wird vom Ich-Erzähler als seinerseits Zupackender wahrgenommen. Der Griff, in unmittelbarem Kontext mit den rücksichtslosen Schergen, ist Festnahme, nicht liebevolle Umarmung. Gleich danach, nachdem er genug gesehen hat, bemerkt der Ic