In der Stille vieler kleiner Stunden von Nancy Klein Maguire

In der Stille vieler kleiner Stunden
Fünf Kartäuser-Novizen auf der Suche nach Gott, Arkana
ISBN/EAN: 9783442337767
Sprache: Deutsch
Umfang: 384 S.
Einband: gebundenes Buch
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Gibt es hinter den Mauern ein größeres Glück? Philip Grönings Dokumentarfilm ''Die große Stille'' brachte erstmals Bilder vom Leben der Kartäusermönche auf die große Leinwand. Viele Zuschauer zeigten sich bewegt von der einzigartigen meditativen Stille, die der Film ausstrahlt. Dieses Buch wirft nun einen Blick in das Innenleben dieser verschlossenen, für Außenstehende so schwer verständlichen Gemeinschaft. Nancy Klein Maguire, verheiratet mit einem ehemaligen Mönch, verfolgt den Lebensweg von fünf Novizen, die ins Kartäuserkloster Parkminster eintreten, um innerhalb ihrer fünfjährigen ''Lehrzeit'' herauszufinden, ob sie das feierliche Gelübde ablegen und den Rest ihres Lebens im strengsten Orden des Abendlands verbringen wollen. Für ihr Buch wertete sie zahlreiche Gespräche, persönliche Korrespondenz und intime Einblicke in das Klosterleben aus. Entstanden ist ein einzigartiges Porträt einer Welt, die seit fast tausend Jahren unverändert nach denselben Regeln und Abläufen funktioniert. ''In der Stille vieler kleiner Stunden'' ist ein Dokument von historischem Wert, denn mangels Nachwuchs ist der Untergang der Welt der Kartäuser absehbar. Dieses Buch atmet die konzentrierte Ruhe guter Zen-Literatur und transportiert zugleich eine subtile Spannung, die an die großen spirituellen Romane von Herman Hesse erinnert. - Das Porträt einer Mönchsgemeinschaft - Die ideale Fortsetzung des Kinoereignisses ''Die große Stille'' - Einzigartiges Dokument einer leidenschaftlichen Gottessuche
Am 24. Juni 1084 kam Bruno von Köln mit sechs Gefährten in ein wildes Hochtal in den französischen Alpen. In dieser unwirtlichen, für starke Schneefälle und extreme Kälte bekannten Gegend errichteten sie Einsiedlerhütten. Hier sollten im Lauf der Zeit die eindrücklichen, ehrfurchtgebietenden Gebäude der Grande Chartreuse (Großen Kartause) entstehen. Das Grundprinzip jedoch, gemäß welchem jeder Mönch der Suche nach Gott in seiner eigenen Zelle nachgeht, hat sich seither nie geändert. Von 1084 bis zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) ist das von Bruno eingeführte Einsiedlerleben unverändert geblieben - ein Überbleibsel der Lebensform des 11. Jahrhunderts. Die Kartäuser rühmten sich stets der Tatsache: Cartusia nunquam reformata quia nunquam deformata, welcher Satz den Stolz der Kartäuser darüber erkennen lässt, dass ihr Orden "nie reformiert, weil nie deformiert" wurde. Die Kartäuser des 11. Jahrhunderts überstanden das Schisma von Avignon, die 95 Thesen Martin Luthers, die Reformation, das Konzil von Trient, die Aufklärung und die Säkularisierung ohne jede Veränderung oder Konzession an die jeweilige Entwicklung. Dieser radikale Orden gewährt uns wie ein lebendiges, atmendes Wesen einen direkten Einblick in die Kultur des 11. Jahrhunderts. Heute ist es nur noch dank der älteren Mitglieder des Ordens, denen, die vor 1965 eingetreten sind, möglich, das Leben der Kartäuser aus dem 11. Jahrhundert nachzuvollziehen. Nach ihrem Tod werden sie wie ein aussterbender Stamm aus der Geschichtsschreibung verschwinden. Tatsächlich wissen nur wenige überhaupt etwas von der Existenz der Kartäuser. Sie sind wie Figuren in Thomas Pynchons Die Versteigerung von Nr. 49. In katholischen Schulen werben diverse geistliche Orden alljährlich an bestimmten Tagen um junge Katholiken, um die Berufung zum geistlichen Leben zu fördern. Die Kartäuser tun das nicht. Sogar gut unterrichtete Katholiken verwechseln sie mit den Zisterziensern, einem völlig anderen Orden. Dennoch führte eine Art innerer Kompass junge Männer an den Ort, an dem sie eine radikale Religionsform praktizieren konnten: Gott allein zu suchen; auf verschlungenen Wegen fanden sie ihren verlorenen Stamm. Als Bruno und seine Nachfolger erstmals zusammenkamen, herrschten wohl etwas turbulentere Zeiten als gewöhnlich. In einem Schisma hatte sich die heutige orthodoxe Ostkirche 1054 von der römisch-katholischen Kirche getrennt. In jenen stürmischen Jahren wählte das Kardinalskolleg am 12. März 1088 einstimmig einen der französischen Schüler Brunos, Odo de Chätillon, zum Papst. Dieser nahm den Namen Urban II. an und berief 1090 Bruno zu seinem Berater. Als Muslime Ostchristen umbrachten und Jerusalem einnahmen, rief Urban II. in tiefem Bedauern darüber 1096 beredt zum ersten Kreuzzug auf. Er verhieß frommen Kreuzfahrern, sie würden unverzüglich in den Himmel eingehen. Zudem designierte er ihre Ländereien als heilig und unberührbar. Die Menge rief: "Deus vult!" (Gott will es!), und der erste Kreuzzug begann mit dem wohlorganisierten Plan, sich in Konstantinopel zu treffen. Auf dem Weg ins Heilige Land jedoch metzelten die Kreuzfahrer Tausende von Juden nieder, die sie als "Mörder Christi" bezeichneten. Entgegen allen Erwartungen eroberten sie im Jahre 1100 Jerusalem und führten bis 1291 in Palästina Krieg gegen die Muslime. Davon aber bekam Bruno nichts mit. Nachdem er nicht einmal ein Jahr im Zentrum der Macht verbracht hatte, bat er, sein Eremitenleben wieder aufnehmen zu dürfen, und die Bitte wurde ihm gewährt. Lange vor Aufbruch der Kreuzfahrer weilte Bruno wieder in der Einsamkeit eines neuen Kartäuserklosters im süditalienischen Kalabrien. Er war an die Seite des Papstes berufen worden, weil seine Eltern ihn von Köln in die hervorragende Schule von Reims geschickt hatten, Frankreichs wichtigstem Erzbistum, wo er sich sowohl als Schüler wie als Lehrer auszeichnete. Etwa zwanzig Jahre lang lehrte Bruno in Reims. Der päpstliche Gesandte verlieh ihm sogar den verdie